Trauer tragen
(Im Kinderhospiz)
120 x 160 cm
Öl auf LW
2022
Dieses Bild malte ich im Vorfeld einer Ausbildung zur ehrenamtlichen Sterbebegleiterin im Kindershospiz. Es hatte für den Kurs eine längere Wartezeit gegeben und nur eine vage Zeitspanne als Beginn.
Als die Nachricht kam, dass genügend Teilnehmer zusammengekommen waren und der Kurs starten würde, freute ich mich sehr und malte dieses Bild.
Die Frau auf dem Bild trägt ein Kind in der Handtasche. Auf symbolischer Ebene könnte es ein verstorbenes Kind sein, also Erinnerung daran, die man wie ein wichtiges Utensil, das einen durch dem Alltag begleiten soll, bei den wichtigsten Dingen aufbewahrt, die man täglich braucht und immer bei
sich hat.
Der Ausdruck „Trauer tragen“, der für die Trauerzeit nach einem Todesfall steht und sich ursprünglich auf Kleidung bezieht, wird hier wörtlich genommen und noch weiter gefasst. Es könnten einem auch weitere Formulierungen einfallen, z.B. „an etwas zu tragen haben“, die die Schwere des erlebten Schicksalsschlages in eine physische Last übersetzen, die man eine ganze Weile, vielleicht für immer, als „Erfahrung von Gewicht“, vielleicht auch als nicht oder schwer ertragbar, als das Gepäck des Lebens mit sich führen wird.
Der Schleier im Bild deutet vielleicht in die Vergangenheit, als verschleiere er einen Gemütszustand, der nicht immer ausgehalten, sondern nur zu bestimmten Gelegenheiten oder Zeitpunkten zugelassen werden kann. Etwas wie er Tod eines Kindes ist immer dabei, immer präsent, aber gleichzeitig so unaushaltbar, dass er wie in der Tasche einen Platz bekommen muss, um für Außenstehende nicht unmittelbar erkennbar zu sein.
Die Entscheidungshoheit, über solche Dinge zu sprechen und seine Außenwelt miteinzubeziehen, muss bei dem betroffenen Menschen verbleiben. Die Frau im Bild scheint nicht sprechen zu wollen, allerdings scheint sie den Betrachter (bei aller Abstraktion des Gesichts) anzublicken. Auffällig ist auch die sehr aufrechte Haltung, vielleicht die Ambivalenz, Haltung bewahren zu wollen, und gleichzeitig eine tonnen-
schwere Last bei sich zu haben.
Dies waren die Gedanken, die ich hatte, als ich mich auf den Ehrenamtskurs vorbereitete.