Flügelstutzen

80 x 160 cm (2-teilig)
Öl auf LW
2023

Auch dieses Bild ist in mehreren Zyklen der Wiederaufnahme des Malens daran entstanden.

Das Motiv, dass das Verhalten des Menschen (dem Tier gegenüber) Rückwirkungen auf ihn selbst hat, stand hier (im Gegensatz zum
Enkel und zum Horizont ) von Anfang an fest.

Sachinformationen:

Die Methode des Flügelstutzens, in Zoos üblich, um Vögel am Wegfliegen zu hindern, ist gemäß Tierschutzgesetz erlaubt, sofern es sich nicht um die Amputation von Teilen des Flügels handelt (das sog. Kupieren).

Dies wird in Deutschland wohl heute nicht mehr praktiziert, allerdings sind noch zahlreiche Alttiere mit amputierten Flügelteilen zu sehen, da ein solches Verfahren früher gängige Praxis war.

Das Bild möchte auf das Thema aufmerksam machen, dass der Mensch seine Umwelt, hier im Sinne der ihn umgebenden Tierwelt, zum Negativen verändert und damit auch sich selbst. Das Ausrotten von Tieren, hier stellvertretend von Vögeln, ist eine Art des Flügelstutzens: indem man dem Tier den Lebensraum nimmt, betreibt man die radikalste Form des Unmöglichmachens des Fliegens. Was wir der Kreatur antun, verändert auch uns.

Im Bild finden sich mehrere Aspekte des problematischen Umgangs mit der Tierwelt:
Das Vogeltattoo, mit dem die Frau im Bild sich schmückt, zeigt einen am rechten Flügel kumpierten oder zumindest in den Federn stark gestutzten Vogel. Das Kleid der Frau enthält zahlreiche Federn, ein „Federkleid“, das möglicherweise aber auf Kosten eines gerupften Vogels entstand? Ein einzelner, wie abgetrennt daher kommender (und noch blutender) Flügel befindet sich über dem Ohr, und er scheint in die Halsschlagader der Frau überzugehen.

Auch die Beine des Tattoo-Vogels haben die Gestalt von Blutgefäßen im Arm der Frau, der statt Fingernägeln inzwischen schon Krallen wachsen. Die Frau selbst sehen wir nur im Profil, und ihr Gesichtsausdruck hat etwas Trotziges, Aufsässiges, Gleichgültiges. Kontakt kann der Betrachter nur mit dem Portrait im Hintergrund aufnehmen, das halbseitig durch eine Maske verborgen ist. Hier scheint etwas, das eigentlich unter Glas und in einem Rahmen an die Wand genagelt wurde, aus dem Ruder zu laufen und über seine Begrenzung hinaus zu wuchern:
die Haare, die hinter dem Bild weiterlaufen und über das Bild hinausgehen, und im dunklen Bereich unten nicht mehr klar vor dem Hintergrund auszumachen sind.

Vielleicht so, als würde dem Menschen, unerkannt hinter seinem Rücken, etwas über den Kopf wachsen und ein Eigenleben entwickeln, das er selbst in Gang gesetzt hat.