
Der Schleier
50 x 35 cm
Ölpastellkreide / Wachsmalkreide / Buntstift auf Papier
2023

In diesem Bild spiegelt sich für mich die Diskussion wider, die 2023 kurzzeitig in der Gesellschaft stattfand anlässlich eines Skandals um (Macht-)Missbrauch.
Es gab ein kurzes Zeitfenster, in dem sich Betroffene öffentlich zu Wort meldeten und u.a. die Gründe schilderten, warum sie sich nicht früher aus einem System und Situationen befreit hatten, das und die ihnen nicht gutgetan hatte(n). Es gab dann die institutionelle Antwort, die man hatte erwarten müssen, um die Diskussionen einzudämmen. Das Fenster schloss sich.
Mich beschäftigte noch lange die Problematik, warum Gewalterfahrung diesen ihr eigenen Schleier erschafft, der sich auf die Betroffenen und das Erlebte legt, und eben auch weiter wirkt, über den eigentlichen Vorfall hinaus, und auch neue, unbelastete Erfahrungen, (hier: grau) einfärbt. Und wieviele dieser geschlossenen Fenster eine Gesellschaft im Inneren aushalten kann.
Die schwarze Hand kann, u.a. durch den Schleier dazwischen, von der Figur im Bild kaum wirklich wahrgenommen werden, es ist unklar, ob sie weiß, dass die Hand (immer noch) da ist.
Sie ist unverhältnismäßig riesig und bedrohlich, im wahrsten Sinne des Wortes „übergriffig“. Sie muss im Mindestens, selbst wenn sie nicht wahrgenommen wird, druckvoll wirken und würde – im Falle eines Kindes/Jugendlichen – auch weiteres Wachstum blockieren.
Der Schleier scheint noch über das Bild hinauszugehen, sein Ende oder Anfang ist nicht definierbar. Das rechte Auge der Person wird vom Schleier mit erfasst, scheint aber trotzdem sehen zu können (oder ist zumindest aus der Betrachterperspektive durch den Schleier erkennbar), vielleicht ein Hinweis darauf, dass auch der Figur im Bild das Vorhandensein des Schleiers bewußt ist – gibt es doch noch das andere, gesunde, heile, nicht-beeinträchtigte Auge, duch das gesehen werden kann, wie die Welt eigentlich aussehen würde.
