Der Enkel

130 x 180 cm (9-teilig)
Öl auf LW
2023

Der Ursprung dieses Puzzle-Bildes ist das mittlere Einzelbild (das Gesicht der Großmutter mit dem Gesicht des Enkelkindes). Diese Szenerie legte ich vor vielen Jahren einmal an, malte sie dann aber nicht weiter, da ich nicht so recht wußte, wo das Bild hin wollte, welchen Ausdruck es bekommen sollte. Ich fand (und finde noch immer) die beiden Gesichter für meinen Stil typisch, das etwas Grobe und die Überbetonung von Linien, aber es fehlte in dem Moment ein Gefühl, was genau das Bild ausdrücken sollte (mal abgesehen von der Großeltern-Enkel-Beziehung).

Das Bild fiel mir dann 2023 wieder in die Hände, im Grunde zufällig beim Durchsehen angefangener Bilder. Im Zuge der hochkochenden Klimadebatte, die oft natürlich auch Fragen der Generationengerechtigkeit adressierte, hatte ich plötzlich meinen Kontext für das Bild gefunden und malte es weiter.

Die Großmutter scheint den Enkel vom Boden hoch und auf den Schoß zu heben. Das Kind hat das Spielzeug noch in der Hand, man könnte es sich, da es die Großmutter nicht direkt anschaut, sondern eher in Richtung des Betrachters schaut (allerdings auch zu diesem nicht direkt blickt), in sein Spiel versunken vorstellen, nicht so recht verstehend, warum es aus diesem herausgerissen wird.

Natürlich läßt das Bild offen, ob das Kind auf den Schoß hinauf gehoben wird, oder aber von diesem herunter, oder aber selbst herunterzukrabbeln versucht und von der Großmutter festgehalten wird.

Vor dem Hintergrund der Klimathematik, die im Bild enthalten ist, könnte die Großmutter versuchen, den Enkel in Sicherheit zu bringen, da am Boden bereits Rauchentwicklung zu sehen ist. Der Rauch steigt hinter dem Sessel nach oben. Dessen Herkunft bleibt offen. Unklar ist, ob die Großmutter bemerkt, dass sie selbst bereits im Rauch sitzt, zumindest mit den Füßen, die auf dem Bild ja nicht mehr zu sehen sind. Gleiches gilt für den Großvater.

Der Großvater repräsentiert hier eine Figur, die zu der Rauchentwicklung selbst beiträgt, die gleichzeitig aber die Lage zu analysieren versucht, indem intensiv „die Glaskugel Erde“ betrachtet wird, wie um hier die Zukunft abzulesen. Tut der Großvater dies, weil er die sich manifestierende Sorge der Großmutter um den Enkel aufnimmt und zu erkunden versucht, ob sie gerechtfertigt ist?

Oder aber nimmt die Großmutter die Sorge des Großvaters um die Erde auf und reagiert darauf, indem sie das Kind in Sicherheit zu bringen versucht? Oder stehen beide Verhaltensweise ohne Bezug zueinander nebeneinander? Das Bild läßt es offen.

Haben sich die Personen auf dem Bild in dem Ohrenbackensessel mit der hohen Lehne, der sogar noch nach den Seiten hin abschirmt, so bequem eingerichtet, dass sie nicht mehr mitbekommen, was daneben und dahinter passiert? Nach oben oder unten, wo der Rauch zu erkennen wäre, schaut keiner – die Großmutter ist auf das Kind fixiert, der Großvater auf die Glaskugel Erde in seiner Hand.

Für mich stellt das Bild unter anderem die beiden oft beobachteten Verhaltensweise dar, die gerade in der Klimakrise die Menschen in zwei Lager zu trennen scheinen: der eine reagiert emotional, mit unmittelbarer Aktivität (die Großmutter, die das Kind „hoch reißt“, um es vermeintlich aus der Gefahrenzone zu bringen), und der andere zieht sich in die Analyse und Beobachtung zurück und versucht, erst einmal Gegebenheiten zu untersuchen und zu verstehen (der Großvater, der zwar sein eigenes Verhalten noch nicht geändert hat, aber sich um die größere Dimension, nämlich die Erde selbst, kümmert, statt lediglich um den unmittelbar vor ihm befindlichen Enkel).

Das Bild könnte einem erzählen, dass es hier in dieser Konstellation zwingend beide Lager braucht, um die unmittelbare Katastrophe zu verhindern, einerseits, die drohende langfristige aber ebenfalls in den Blick zu nehmen oder im Blick zu behalten, andererseits.