Schütteltrauma

100 x 110 cm
Öl auf Leinwand,  2014

Aufgeschreckt durch den Fall eines kleinen Mädchens, das 2013 in Hamburg zu Tode kam, begann ich, mich mit dem Ausmaß der Kindesmisshandlung in Deutschland näher zu befassen, und stieß u.a. auf das 2019 erschienene Buch „Deutschland misshandelt seine Kinder“ von Michael Tsokos und Saskia Guddat.

Sachinformationen:

Zitat aus dem Buch: Das Schütteltrauma – eine der schwersten Kindesmisshandlungsformen.

„[. . .] Ein Fünftel der Opfer verstirbt sofort nach dem Schütteln oder nach wenigen Tagen. 90 % der Überlebenden sind für ihr Leben an Körper und Geist behindert. Nicht einmal 10% der überlebenden Opfer tragen keine bleibenden Schäden davon. Zu den neurologischen Folgen [. . .] gehören schwerwiegende Entwicklungsstörungen, Seh-, Hör- und Sprachausfälle, von Krämpfen begleitete Bewegungsstörungen oder sogar die weitgehende Degeneration des Gehirns zu unstrukturierten Zellblasen ohne weitere Funktionsfähigkeit.“

(aus „Deutschland misshandelt seine Kinder“, M. Tsokos, S. Guddat, 2019, Droemer-Verlag, S. 137 f)

Das Bild zeigt die Leere im Gehirn, die ich mit dem Funktionsausfall der irreparabel geschädigten Bereiche assoziiere, auch im Gesicht selber zeigt sich eine Ablösung des mittleren Bereiches (ebenso wie sich beim Schütteln des Kindes in dessen Gehirn Strukturen ablösen, siehe z.B. S. 136 des zitierten Buches), das Gesicht als Spiegel der Ausdrucksfähigkeit ist entrückt.

Der Kopf wirkt zerschlagen wie ein Gefäß, das mehrfach gebrochen oder gerissen ist. Auch der Blick des Mädchens spielt bei der Wirkung des Bildes eine Rolle, auf mich wirkt er verletzt und nach innen gekehrt (vielleicht erblindet), es gibt keinen eindeutigen Blickkontakt zum Betrachter mehr.

Folgt man mit dem Auge den Linien im Bild, durchläuft der Blick alle Bereiche, die vom Schütteltrauma betroffen sein können. Auch rein farblich gibt es für das Kind, das sich in eigener (die Haare) und umgebender (der Hintergrund) Düsternis befindet, keinen Ausweg mehr aus dem Bild.

Das Alter des Mädchens entspricht sehr grob dem des in Hamburg verstorbenen Kindes (das nicht ursächlich am Schütteltrauma verstarb), ein Kind dieses Alters hätte somit das Schütteltrauma um viele Jahre überlebt. Ich malte das Bild, bevor ich die genauen neurologischen Folgen des Schüttelns von Säuglingen kannte.

Literatur/Quellen:

 www.yagmur-stiftung.hamburg

„Deutschland misshandelt seine Kinder“
Michael Tsokos, Saskia Guddat
2019,  Droemer-Verlag